Zum Tod von DADO Miodrag Djuric

Zum Tod von DADO Miodrag Djuric am 27. November 2010

Miodrag Djuric, Künstlername DADO, ist am 4.Oktober 1933 in Cetinje, Montenegro geboren. 1951 besuchte er die Kunstakademie in Belgrad. 1956 geht er nach Paris, wo er in einem Atelier Lithografien druckt und dort Jean Dubuffet kennen lernt. Bald darauf wird er von namhaften Galerien wie James Speyer und Daniel Cordier ausgestellt. 1960 kauft er eine ehemalige Mühle in Herouval bei Gisors, ca. 100 Kilometer nördlich von Paris. 1962 besucht er New York, wo Dado seine Frau Hessie, eine Kubanerin und Tänzerin kennenlernt. Hans Bellmer, Unica Zürn und Michel Leiris besuchen DADO in Herouval. 1991 entsteht in Montenegro von DADO ein Anti-Museum. Seine Bilder sind in der ständigen Sammlung des Centre Pompiduo in Paris zusehen und er wird zu den bedeutendsten Phantasten unserer Zeit gezählt, ein H. Bosch unseres Jahrhunderts. Bei Gisors wurde von ihm eine Kapelle ausgemalt.

1996. Die Fahrt von der Bretagne zu DADO hatte länger gedauert, als wir dachten. Das hing u.a. damit zusammen, dass wir uns nach Herouval über Dörfer, Weiler und Gehöfte hintasten mussten, bis wir endlich nach einem Wäldchen und einem See seine Mühle gegen 18:30 Uhr erreichten. Als wir im Hof ausstiegen und auf das Haus zugingen, kam uns DADO´s Frau Hessie entgegen und begrüßt uns. Sie führte uns links zu einem Anbau mit großen farbverspritzten Fenstern, in einem Raum, in dem bizarre Schrottmonster ein unbeschreibliches Chaos verursachten. Erst auf den zweiten Blick erkannten wir DADO, der wie ein Bauer mit brauner Jacke und Wollmütze Zeitung lesend dazwischen saß. Er begrüßte uns, wir entschuldigten uns, dass wir so spät noch bei ihm vorbei kamen, doch wären wir auf dem Rückweg nach Deutschland und ich hätte ihn gerne persönlich kennen gelernt, sowie seine neuesten Bilder gesehen.

DADO verschwand in dem Monstergerümpel und zeigte uns an der Wand mehrere Hochformate, die man aber erst aus dem Chaos heraussehen musste. DADO arbeitete an Dürer-Paraphrasen d.h. das Bildnis von Dürers Mutter wandelte er in ein hühnerfüßiges Monster um. Dado fragte mich, was ich von dem Bild halte, was mich etwas in Verlegenheit brachte, denn ich hatte 600 Kilometer hinter mir und ein Qualitätsmaßstab bei DADO zu setzen ist in der Hinsicht schwierig, weil seine Bilder eine ganz eigene Qualität haben und oft kompositorisch überquellen. Ich sagte, dass ich das Bild recht interessant finde, doch DADO schüttelte den Kopf und knurrte ganz unglücklich, dass es „Merde!“ sei. Er zeigte mir daraufhin ein ganz zerfledertes Dürer-Buch, woraus er seine Inspiration nahm und was mich später veranlasste, ihm von zuhause ein neues Buch zu senden.

Weitere Bilder standen herum, doch war alles so wild mit Farbe verspritzt, dass man die Orientierung verlor und man gar nicht wusste, wo man hinblicken sollte. In einem weiteren dunklen Raum waren Leinwände an die Wand genagelt, die von einem Graffiti-Künstler besprayt und von DADO dämonisch ausgemalt worden waren. Durch die Dunkelheit des Raumes wirkte das Chaos noch abstruser, zumal hier ausgestopfte Schwäne, eine alte Badewanne, eine von Vögeln vollgekackte Lithopresse, Sessel, Tische und weiterer bemalter Schrott herumstanden. Mit der Videokamera versuchte ich alles festzuhalten. DADO erzählte, dass er auch deutsche Schriftstellern wie Günter Grass und Dürrenmatt gelesen habe und zeigte uns seine neusten Collagen.

DADO gab uns ein Zeichen, ihm zu folgen und über eine Treppe und durch einen Flur kamen wir vor das Haus an den See auf dem einige Enten herum schwammen. Eine wundervolle idyllische Landschaft und man fragte sich, wie kommt ein Mensch dazu hier Bilder von pastellfarbener Dämonie zu malen? Der Regisseur Heinz Dieckmann, der vor vielen Jahren einen Film über DADO drehte, erzählte mir, dass während der Filmaufnahmen plötzlich mehrere Schüsse fielen und einige Enten tot in den See stürzten. DADO ließ den Pinsel  fallen, hob einen Prügel von der Erde und rannte hinaus. Am See stand ein Bauer von einem anderen Gehöf und schoß mit einem Gewehr nach den Enten. Als er den rasenden DADO auf sich zu laufen sah, schob er schnell einige Patronen in den Lauf und wollte auf DADO anlegen. Doch DADO warf den Prügel dem Bauern so scharf am Kopf vorbei, dass dieser vor Schreck sein Gewehr fallen ließ. DADO hob es schnell auf, zerschmetterte es an einem Baum und warf die Reste in den See. Zwischen DADO und dem Bauer begann eine furchtbare Prügelei, die nur durch das aktive Eingreifen durch das Fernsehteam beendet wurde. DADO sagte später, dass die friedliche Landschaft nur Täuschung sei. In Wirklichkeit sei es hier sehr gefährlich!

Der Kunsthistoriker Dr. Sauré erzählte mir, dass er DADO einmal besuchte und dieser gerade eine wilde Schießerei im Fernsehen ansah und dabei immer wieder brüllte: „Ja,ja – so ist das wahre Leben!“

Ich hatte gehofft, dass wir seinen, mit pastellfarbigen Knochen überzogenen Oldtimer sehen könnten, doch scheint dieser in der Garage zu stehen. 2010 hat Dado bei der Eröffnung des Centre Pompidou in Metz ein neueres Auto mit Schrottmonster auffahren lassen, als Hommage á Hans Bellmer und Unica Zürn.

Auf der anderes Seite des Fachwerkhauses kamen wir an seinem verbeulten Auto vorbei zu einem zweiten Atelier, das aber eher wie ein Rohbau aussah, denn bei allen Fenstern fehlten die Glasscheiben. An der Wand lehnte ein riesiges Bild mit einer Masse grauer Monster. Davor Tische voller Farben, Flaschen und Pinsel. Vor einigen Jahren war sein Haus, die ehemalige Mühle mit einem Teil seiner Werke abgebrannt und war anscheinend noch immer nicht ganz renoviert. DADO zeigte uns wie er diese Bilder malt, wobei er einfach die Farbe aus der Tube auf einen Tisch schmierte, Terpentin in eine Büchse füllte und dann den Pinsel in das Terpentin tauchte und die Farbe damit verdünnt auf die Leinwand auftrug.

Die Zeit vergeht, es wird dunkel und wir müssen noch ein Hotel suchen. Ich wollte DADO nochmals besuchen – es sind die Dinge die man sich vornimmt und die leider mit der Zeit  zerrinnen!

Otfried H. Culmann